Das goldene Band der Kunstgeschichte
aus: Kunst und Kunstbetrachtung in der Vorbereiteten Umgebung //Laura Weinand-Wittinger, 2016

Das Konzept
„Dante, Milton, Goethe, Raffael und Wagner sind große Geheimnisse, Wunder an Intelligenz, die nicht mit dem einfachen Beobachten und Überlegen in Verbindung gebracht werden können. Und doch hat jeder Mensch seinen Teil künstlerischer Einbildungskraft, seinen Trieb, das Schöne mit seinem Geist zu schaffen… Außer der Tätigkeit der Beobachtung der materiellen Wirklichkeit gibt es eine schöpferische Arbeit, die den Menschen von der Erde erhebt und ihn in eine höhere Welt trägt, in die jede Seele gemäß ihrer eigenen Grenzen gelangen kann.“
Maria Montessori
Das Konzept zur “Kunstbetrachtung in der Vorbereiteten Umgebung” basiert auf meiner gleichnamigen Abschlussarbeit, die ich 2016 für den Montessori Diplomkurs mit Heilpädagogischem Schwerpunkt/Landau, geschrieben und erarbeitet habe.

Der Stellenwert der Kunst und Kunstvermittlung bei Maria Montessori
Beschäftigt man sich mit den Aussagen Maria Montessoris zur Kunst, so wird man feststellen, dass sie in der Vielzahl und im Detail nicht so vorhanden sind, wie etwa zu den Hauptbereichen Mathematik, Sprache, Sinneserziehung und Kosmos. Sichtet man aber die umfangreiche Primärliteratur und die wichtigsten Texte der Sekundärliteratur, so kann man doch erkennen, dass sie klare Vorstellungen von Kreativität, Kunstverständnis und künstlerischer Tätigkeit, sowie deren Wichtigkeit für die kindliche Entwicklung hatte. Sie sind nicht als zentrale Ausarbeitung in einem Hauptwerk zu finden, sondern ziehen sich als Bezugspunkte durch ihre gesamte Arbeit. Sie verweist immer wieder aus unterschiedlichen Zusammenhängen auf den elementaren Charakter von Kreativität und künstlerischem Ausdruck. Es ist in dieser Sache ein bisschen wie bei der Kunst selbst – das Gesamtbild erkennt man erst, wenn man einen Schritt zurück tritt und alle Mosaikteilchen sich zu einem großem Ganzen zusammenfügen. Das Heranführen der Kinder an eigenes, kreatives Arbeiten und die damit verbundene Möglichkeit, einen individuellen, künstlerischen Ausdruck zu entwickeln, findet sich schon lange im Montessorischen Schulalltag wieder. Es gibt tolle Konzepte, die den Kindern – ganz im Geiste Maria Montessoris- ein freies Arbeiten mit Farbe und Zeichenstift ermöglichen. In manchen Klassen sind Atelierecken eingerichtet worden, die die Kinder dazu anregen, sich selbständig Techniken und Beschaffenheit von Materialien zu erarbeiten, bzw. der Fantasie freien Lauf zu lassen.
Neben dem freien künstlerischen Ausdruck und dessen Fußen auf erlernten, künstlerischen Techniken, muss man aber auch noch die Wichtigkeit der Kunstbetrachtung unterstreichen. Spricht man im übertragendem Sinne, so sind Technik, Kunstbetrachtung und Schärfung der Sinneswahrnehmung die drei Säulen, die als Basis für eine freie kreative Entfaltung dienen. Hier kommt wieder Maria Montessoris Vorstellung vom „Schlüssel zur Welt“ zum Tragen. Man könnte es also auch so formulieren, dass Technik, Kunstbetrachtung und Schulung der Sinneswahrnehmung die Schlüssel sind, um die Tür zur individuellen Kreativität bzw. zum persönlichen Ausdruck zu öffnen.Wenn die Kinder die Gestaltungsgrundlagen sicher beherrschen, können sie sich ohne Ablenkung und vollkommen auf ihre Inspiration einlassen.
„Wenn wir der schöpferischen Tätigkeit freien Lauf und sie von anderen Elementen vorbereitender oder vervollkommender Art freihalten, werden wir höchst überraschende Fortschritte erleben. Die Tätigkeit wird dann eine echte Innovation darstellen und Merkmale wichtiger Originalität tragen.“ (S.70, Vortrag zur „Analyse“) Auch wenn sie sich in diesem Vortrag mehr auf kreatives Schreiben und musikalisches Gestalten bezieht, ist diese generelle Auffassung ganz sicher durch den gemeinsamen Nenner Kreativität und schöpferisches Arbeiten, auf die künstlerische Gestaltung übertragbar. Immer wieder nennt sie die Bereiche Musik, Sprache und Bildnerisches Arbeiten als Mittel, den Weg zu den Möglichkeiten eines persönlichen Ausdrucks zu öffnen.Durch das Studieren der Meisterwerke der Bildenden Kunst wird das kindliche Auge in vielerlei Hinsicht geschult. Bildzusammenhänge, Motive, Pinselstrich und Komposition – Bildbetrachtung ist der Innbegriff von dem konzentrierten Versinken in ein Material, das Montessori immer wieder fordert. Was wir mit größter Aufmerksamkeit betrachten wird verinnerlicht. Das Farbenspiel der Impressionisten, die Abstraktion der Expressionisten, die Proportionen der Renaissancekünstler, oder die Genialität der Linie eines Picasso. Wir können uns dies durch Betrachtung erschließen und als Grundlage zur Ausbildung des eigenen künstlerischen Ausdruckes nutzen. Durch die Jahrhunderte hindurch war es Gang und Gebe sich die eigene künstlerische Identität durch das Studium berühmter Vorbilder und Zeitgenossen zu erarbeiten. Erhaltene oder wiederentdeckte Skulpturen der Antike etwa, finden sich in zeichnerischen Studien aller großer Künstler. Von Michelangelo bis Rubens – sie schulten ihr Talent an der Betrachtung anderer Kunstwerke. Wie Maria Montessori natürlich richtig bemerkt, geht es nicht darum, aus den Kindern große Künstler zu machen. Das erklärte Ziel ist die Inspiration, die Beflügelung der Vorstellungskraft und des Geistes, wie es nur große Kunst zu leisten vermag. Die Kunstgeschichte ist unsere kulturelle Identität, die nicht in Vergessenheit geraten darf.
Wichtigste Literatur: Maria Montessori: Freies Zeichnen, Studien nach dem Leben,Montessori Werkbrief 14/1967; S.14-16, Klaus Horst Berg: Keine Kunst mit Maria? Beobachtungen und fragen zu einigen wenig beachteten Aspekten in der Montessori-Pädagogik, Paul Drücke: Kunst und Kunsterziehung in der Montessori-Pädagogik, Montessori Werkbrief, 2.Beiheft, 1992 http://www.hkb.berg-werke.de/Aesthetisch_Bildung_Montessori
Der Schlüssel zur Welt
In der Pädagogik Maria Montessoris dreht sich Alles um das Ziel, den Kindern durch das Material und die Vorbereitete Umgebung einen Schlüssel zur wortwörtlichen individuellen ERSCHLIEßUNG DER WELT anzubieten.
„Unser Material soll kein Ersatz für die Welt sein, soll nicht die Kenntnisse der Welt vermitteln, sondern soll Helfer und Führer sein für die innere Arbeit des Kindes. Wir isolieren das Kind nicht von der Welt, sondern wir geben ihm ein Rüstzeug, die ganze Welt und ihre Kultur zu erobern. Es ist wie ein Schlüssel zur Welt und nicht mit der Welt selbst zu verwechseln.“ Maria Montessori
Ein vielseitiges Material
Mein „Schlüsselmaterial“ knüpft an das schwarze Band der Erdgeschichte an. Mit Hilfe des 22m langen goldenen Bandes können ganze Zeitleisten, aufeinander folgende Kunstepochen oder auch einzelne Künstlerbiographien ausgelegt und somit visualisiert werden. Die freie Aufteilung ermöglicht es, das Band vom Kinderhaus bis in die Oberstufe einzusetzen. Es schafft einen Rahmen für Gegenstände und wichtige Begriffe, die eine intensive Auseinandersetzung fördern.
Ergänzungsmaterial
Im Laufe der Jahre ist Einiges an Zusatzmaterial entstanden, das durch Fortbildungen für Pädagogen Einzug in viele Einrichtungen und Klassenzimmer gehalten hat. Ein Teil davon steht zum direkten und kostenfreien Download hier auf der Seite bereit. Zum Thema „Montessorimaterial“ erfahrt ihr übrigens mehr in der gleichnamigen Podcastfolge . Ihr findet sie hier: Montessori im Alltag, Folge 6
Neben Kunstmaterial ist durch meine Arbeit für Montessori für Alle e.V. und Montessori im Alltag auch noch Anderes entstanden. Viel Spaß!

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Atelier Laura Weinand
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